"Und auf der G'stättn die Sterne ..." -
auf
den Spuren von Stonehenge.
Am Stadtrand von Wien entsteht zur Zeit der sogenannte "Sternengarten", eine astronomische Gartenanlage, die auf eine Idee des 1963 verstorbenen Astronomen Univ.-Prof. Dr. Oswald Thomas zurückgeht und jetzt von Prof. Hermann Mucke weitergeführt wird. Mucke ist nicht nur Leiter des Planetariums und der Urania-Sternwarte, sondern auch Österreichs "Vorzeige"-Astronom, der bei aktuellen Anlässen den Medien fachkundig zur Seite steht.
Neugierig geworden durch mehrere Zeitungsartikel, galt es zunächst einmal, den Standort dieses Freiluft-Observatoriums zu finden. Zwar hat man den Namen Georgenberg schon gehört, und auch die Wotruba-Kirche ist nicht ganz unbekannt, doch selbst mit Stadtplan ist es nicht ganz einfach, den Sternengarten zu finden. Zunächst einmal die Wegbeschreibung des Österreichischen Astronomischen Vereines aus dessen Info-Blatt:
Ausgangspunkt: Aufgang zur Wotruba-Kirche, Ecke Rysergasse/Georgsgasse, Wien 23 (Bus 60A Hauptplatz Liesing oder Hauptplatz Mauer bis Kasernengasse, dann Maurer Lange Gasse hinauf bis Georgsgasse.
Einfacher kommt man natürlich mit dem Auto hin: Der beste Parkplatz liegt an der Kreuzung Kalksburger Straße/Anton-Krieger-Gasse. Wenn man über die Breitenfurter Straße kommt, biegt man entweder rechts in die Rodauner Straße ein, dann links in die Anton-Krieger-Straße und fährt, bis man ansteht, oder man fährt die Breitenfurter Straße etwas weiter und biegt rechts in die Kalksburger Straße ein und fährt bis zur Kreuzung mit der Anton-Krieger-Gasse ... alle Wege führen in den Himmel!
Ist man dort angekommen, sieht man ein großes, freies, hügeliges Wiesengelände. An einem Schranken hängt etwas unscheinbar ein Plastikbehälter, in dem man Info-Material zur Anlage findet und der zumindest darauf hinweist, daß man doch richtig ist, weil es sonst keine Wegweiser gibt. Man geht dann ein paar hundert Meter entlang einer Steinmauer über die Wiese und schwenkt am Ende der Mauer rechts ein. Und dann ist man auf der G'stättn. Ich habe zwar für die deutschen Leser (und vielleicht auch für ein paar österreichische) eine Definition des Wortes gesucht, aber nicht gefunden, deshalb hier meine eigene: 'Verwilderter, naturbelassener Ort, etwas abseits der Zivilisation'.
Tatsächlich tut man sich etwas schwer, durch schlammige Pfützen, "Hätscherl"(=Hagebutten)sträucher und dorniges Gestrüpp zur astronomischen Anlage vorzudringen, die sich dann aber wirklich gut in die Landschaft einfügt. Zwar wirkt das Gelände rund um die Anlage noch etwas baustellenmäßig, aber das dürfte sich spätestens dann, wenn das junge Gras gewachsen ist, ändern. Allerdings ist der Sternengarten noch nicht ganz fertiggestellt - es fehlen noch sämtliche Sonnensäulen, die einmal rund um das Zentrum stehen werden und das Analemma. Bei der feierlichen Eröffnung des Mittelbaues am 9. Oktober 1997 haben jedoch die Hauptsponsoren in Aussicht gestellt, auch für die restlichen Arbeiten zur Fertigstellung der Anlage noch Förderungsgelder aufzutreiben. Außerdem hofft man wieder auf private Spender.
Der Standort wurde über zwei Jahre hinweg durch Abhaltung von öffentlichen Sternenabenden auf seine Tauglichkeit und gute Sicht geprüft. Die astronomische Anlage ist frei begehbar und wurde aus vielleicht optisch nicht allzuschönen, aber der freien Natur ausgesetzten und somit notwendigerweise zweckmäßigen, nicht verwitternden und lange Jahre beständigen Materialien angefertigt.
Anschließend findet der interessierte Leser nun ein Bild der Anlage sowie eine kurze Beschreibung, die dem Informationsblatt des Österreichischen Astronomischen Vereins entnommen wurde. Einen umfangreicheren Artikel zu Idee, Aufgabe und Förderung des Projektes sowie einen Lageplan des Geländes findet man auf der Homepage des Astronomischen Büros.
Zentrale Plattform 7 x 7 Meter als Deckfläche einer "Pyramide" aus Sitzstufen. Ihre Geländebrüstung in 1,5 Meter Höhe markiert den mathematischen Horizont und ihre Mitte ist durch eine Platte im Plattformboden bezeichnet. Auf ihr steht der Beobachter, dessen Auge in Brüstungshöhe die Mitte der ganzen Anlage und gemäss astronomischer Terminologie die "Himmelsmitte" ist.
Eine Stiege und eine neben ihr angeordnete Rampe für Rollstühle führen von Norden her auf die Plattform. Die Anlage ist somit behinderten- und kindergerecht.
Der Nordpfeiler trägt in 16,4 Meter Höhe eine Kugel als Marke für den Himmelsnordpol. Im Sonnenlicht fällt ihr Schatten zur Mittagszeit auf ein 45,2 Meter langes und 3,0 Meter breites, helles Band, das das Analemma trägt.
Analemma: Es trägt eine Längsteilung nach dem Datum, das von der Mitte des Kugelschattens angezeigt wird. Auch die Eintritte der Sonne in die Tierkreiszwölftel, besonders in die der Jahreszeitenanfänge, können von je einem Weg beiderseits der Teilung zur Mittagszeit abgelesen werden.
Die Sonnensäulen, deren Oberkanten in Brüstungshöhe liegen und von der Plattformmitte 43,3 Meter abstehen, markieren mit dem mathematischen Horizont und auf ihm jene Stellen, an denen die Sonne zu den Sommer- und Wintersonnenwenden (Sommer- und Winterbeginn) sowie zu den Tagundnachtgleichen (Frühlings- und Herbstbeginn) auf- bzw. untergeht. Die Enden ihrer Seitenarme entsprechen den tatsächlichen, durch Strahlenbrechung in der Luft verschobenen Auf- und Untergangsstellen, womit auch dieses Phänomen sichtbar wird.
Der Südpfeiler von 16,0 Meter Höhe bezeichnet mit dem Nordpfeiler zusammen die Mittagslinie, trägt wie jener Marken von 10 zu 10 Graden Höhe und zusätzlich solche für die Mittagshöhen der Sonne zu den Jahreszeitenanfängen. Die Querarme erscheinen für den Beobachter jeweils ein Grad breit und 20 Zeitminuten in täglicher Bewegung lang.
Wer sich nach der Wissenschaft auch noch der Kultur zuwenden möchte, geht bloß ein paar Schritte weiter und steht vor der Wotruba-Kirche, die aussieht, als hätte ein Riesen-Kind Bauklötze aus Beton zu einem annähernd quaderförmigen Gebilde zusammengelegt.
Fritz Wotruba wurde 1907 in Wien geboren und verstarb 1975. Der international bekannte und anerkannte Bildhauer und Graphiker war seit 1945 Professor an der Wiener Akademie. Die Wotruba-Schule ist legendär - alle wichtigen Bildhauer Österreichs kommen aus dieser Schule, wie etwa Alfred Hrdlicka oder Joannis Avramidis, um nur zwei zu nennen.
Die Kirche "Zur Heiligsten Dreifaltigkeit", im Volksmund immer nur als "Wotruba-Kirche" bezeichnet, wurde tatsächlich erst ein Jahr nach seinem Tode geweiht. Ursprünglich hatte er bereits im Jahr 1965 den Auftrag erhalten, an dieser Stelle ein Karmeliterinnen-Kloster samt Kirche auszuführen. Das Projekt scheiterte jedoch an großen äußeren Widerständen, bevor nach jahrelangem Ringen die Kirche errichtet wurde. Eine Großausstellung auf Burg Lockenhaus im Burgenland würdigte im Jahr 1986 den Künstler und seine Schüler.