Der Erbe des Universums

 

JÄGER DES ENT-
SORGTEN EXPOSES

 

Die Exposés der Perry Rhodan Romane sind ja wohl neben der Auflagenzahl und der Höhe der Gehälter eines der bestgehütetsten Geheimnisse der Perry Rhodan Redaktion. Wahre Legenden ranken sich bereits darum, und nur wenige Auserwählte haben jäh diese sagenumwobenen Schriftstücke gesehen. Zu diesem erlauchten Personenkreis gehören natürlich in erster Linie die Autoren. Sie verwenden die Exposés als Arbeitsgrundlage und -vorgabe für ihre Romane und versuchen, das beste daraus zu machen.

Aber was passiert, wenn die jeweiligen Romane fertig sind? Was tun die Autoren dann mit den alten Exposés? Sie heben sie entweder auf, verwenden sie zum Einwickeln von Nahrungsmitteln oder als Bodeneinlage im Vogelkäfig. Dann gibt es Fehlkopien, doppelte Ausdrucke, Korrekturblätter, händische Vorlagen, etc., etc. - und dies geht den Weg, den alle tote Materie einmal gehen muß: in den Müll (okay, ausgenommen vielleicht so unvergängliche Dinge wie Gold, Edelsteine oder Perry Rhodan Romane). Man wirft die kaputten, verbrauchten, überflüssigen oder schmutzigen Gebrauchsgegenstände zunächst in diese kleinen Behälter, die meist unter der Abwäsche stehen und ... gut, keine langen Erklärungen. Jeder hat schon mal den Mist rausgetragen. Was jedoch letztendlich von Interesse ist und worauf das ganze hier hinaus will: Irgendwo stehen dann große, stinkende Tonnen, in denen wahre Kostbarkeiten begraben sein können.

Zunächst war es ja nur ein harmloser Scherz, als jemand sagte: "Na ja, dann müßte man halt einmal zu den Autoren fahren, in deren Mistkübel schauen und binnen kürzester Zeit hält man ein Exposé in den Händen!" Zuerst folgte Gelächter, dann ein kurzes Überlegen und schließlich stand fest: Auf so eine verrückte Idee ist bisher noch niemand gekommen, aber vielleicht ist die Sache gerade deshalb doch erfolgversprechend.

Als erstes besorgten wir uns einmal einige Adressen von Perry Rhodan Mitarbeitern (die hier natürlich aus Gründen der Privatsphäre und um "Nachahmungstäter" nicht zu animieren, unerwähnt bleiben sollen) und arbeiteten einen Zeitplan aus. Die Besuche mußten ja nicht nur mit den Abholterminen der Müllabfuhr koordiniert werden, um sicherzustellen, volle Behälter vorzufinden, sondern auch mit unserem einwöchigen Urlaub, den wir uns für diese Aktion genommen hatten.

Das nächste Problem ergab sich dann hinsichtlich der konkreten Durchführung - wir konnten ja nicht einfach überall hingehen und zum Herumgraben anfangen. Was ist, wenn uns jemand dabei sieht? Aber uns falsche Schnurrbärte aufzukleben oder Perücken aufzusetzen, das erschien uns dann doch etwas peinlich, und so wurde beschlossen, daß immer einer Schmiere steht, während die anderen wühlen (wir haben ausgelost, und der Sieger durfte aufpassen).

Leute, ich sage euch, was da so alles weggeschmissen wird ... unglaublich! Und von Mülltrennung halten offenbar auch die Wenigsten etwas. Primärziel waren natürlich die Altpapiertonnen. Erspart haben wir uns die Biotonnen, das Altmetall und die Altplastikkübel. Die Altglasbehälter haben wir ebenfalls ausgelassen, schließlich wollten wir ja keine Studie über die Trinkgewohnheiten der Autoren machen.

Die Restmüllbehälter mußten wir leider mituntersuchen, denn schließlich sollte man wirklich wichtige Dinge immer da hineingeben, um zu vermeiden, daß jemand, der im Altpapiercontainer die Zeitung vom Vortag sucht, nicht die alten Liebesbriefe oder den Durchschlag der letzten Steuererklärung findet. Und außerdem kann ein achtlos zusammengeknülltes und schlecht geworfenes Blatt schon mal im falschen Kübel landen. Aber wozu gibt es Gummihandschuhe, und erstunken ist auch noch niemand.

Da jeder Autor die Exposés zugeschickt bekommt, war es grundsätzlich einmal egal, wo wir unsere Suche starten würden. Roman, Heinz und ich (alle drei Namen von der Redaktion geändert) bestiegen am Freitag abend pünktlich um 20:45 Uhr unseren Zug am Wiener Westbahnhof und begannen unsere Jagd nach den entsorgten Exposés, an deren Ende wir hoffentlich eine schöne Trophäe in Händen halten würden.

Am nächsten Tag waren wir mitten im Herzen Deutschlands und nahmen nach einem kräftigen Frühstück unsere erste Tour in Angriff. Es war nicht schwer, in diesem malerischen kleinen Städtchen auf Anhieb die richtige Adresse von Horst (Name von der Redaktion geändert) zu finden. Roman hatte den Stadtplan studiert und führte uns zielsicher zu unserem ersten Einsatzort. Ein schönes Anwesen, aber leider ein Mehrfamilienhaus. Auf den ersten Blick waren drei oder vier Tonnen auszumachen, die in Frage kommen würden, allerdings leicht zugänglich und von der Straße aus nicht gleich einzusehen. Trotzdem wurde eine Münze geworfen, und Roman durfte vorne beim Zaun warten, um den Hauseingang zu beobachten.

Zunächst war das Altpapier dran. Zeitungen, leere Spielzeugschachteln, Eltern-Hefte und Geschenkpapier, aber keine Spur von Unterlagen eines Schriftstellers. Als Heinz am Boden des Kübels noch ein paar Windelkartons fand, kam uns ein schrecklicher Verdacht. Wir schielten zu den drei Restmüllbehältern hinüber und sie schienen immer größer und furchteinflößender zu werden. Nachdem wir den ersten Deckel geöffnet hatten, fanden wir alle unsere Befürchtungen bestätigt. In diesem Haus mußte es mindestens vier Familien mit kleinen Kindern geben und - na ja, ich möchte den werten Lesern die übelriechenden Details ersparen, aber wir brauchten über eine Stunde, bis wir abwechselnd würgend und röchelnd die Inhalte untersucht hatten, natürlich ohne Erfolg.

Erschöpft schleppten wir uns zum Ausgang und warfen noch einen kurzen Blick auf das Klingeltableau beim Haustor - Maier, Barheimer, Wenger, .... keine Spur von unserem Autor! Als Roman seinen Zettel herausholte und ein Grinsen aufsetzte ("Äh, unter dieser Nummer gibt es zwei Häuser, da habe ich euch wohl das falsche gezeigt") wußte er noch nicht, daß wir ihn alleine und ohne Gummihandschuhe und ohne Filtermaske zum richtigen Haus schicken würden, das gleich dahinter lag.

Nach zwei Stunden klopfte er sichtlich ermattet an die Auslagenscheibe der Konditorei, in der wir es uns in der Zwischenzeit gemütlich gemacht hatten. Er schwenkte ein paar leere Kuverts in der Hand und zeigte uns eine ausgedrückte Zahnpastatube, aber das war schon alles.

Gut, den ersten Tag konnten wir abhaken. Als nächstes galt es, ein Quartier zu finden und uns etwas frisch zu machen, insbesondere Roman hatte das nötig. Nach einem ausgiebigen Mittagessen und einem kleinen Spaziergang, bei dem wir unser nächstes Ziel festlegten, kauften wir uns Fahrkarten für den nächsten Tag, an dem wir unweit von hier dem nächsten Autor einen Besuch abstatten würden.

Unser nächster Einsatzort war diesmal eine Großstadt, etwa 100 Kilometer östlich. Nach fast dreistündiger Zugfahrt gönnten wir uns ein Taxi, da wir am gleichen Tag noch weiterfahren wollten. Wir vergewisserten uns nochmals, daß die Adresse stimmte und ließen uns absetzen. Auch hier handelte es sich um ein dreistöckiges Gebäude, das einen eigenen Müllraum angebaut hatte. Hier kam uns jedoch der Zufall zu Hilfe, als plötzlich Arndt (Name von der Redaktion geändert), vollgepackt mit einem großen Karton und einem Kübel, aus dem Haus kam und geradewegs auf den Müllraum zusteuerte.

Wir haben uns auch überlegt, das ganze mit Fotos zu dokumentieren, aber liebe Leser, glaubt mir, es gibt erhebendere Anblicke als einen Autor in Hauspatschen, der gerade seinen Müll ausleert. So haben wir uns damit begnügt, zu beobachten, um dann sofort den Behälter in Beschlag zu nehmen, bevor der nächste Hausbewohner wieder alles zuschüttet.

Als wir wieder im Zug saßen, konnten wir den zweiten Versuch ergebnislos abhaken. Allerdings steuerten wir morgen auf den ersten Höhepunkt unserer Reise zu. Das Domizil von Klaus (Name von der Redaktion geändert), eine Hochburg der Perry Rhodan Exposés, wartete darauf, gestürmt zu werden!

Die Ausgangssituation war ideal. Nachdem wir uns überzeugt hatten, daß niemand zu Hause war, konnten wir uns voll und ganz den Kübeln im Hinterhof des kleinen Häuschens widmen. Der Altpapiercontainer war randvoll. Da gab es zerfledderte Romane, Leserbriefe (zu 50 Stück gebündelt), verworfene Antwortschreiben auf Leserbriefe ("Lieber Roger, ich habe Dir schon hundertmal geschrieben, daß ....") und zerknüllte Notizen allgemeiner Art. He, was ist das? Eine Ausgabe von NOW!? Klaus, du wirst doch nicht ... ah, nein, bloß eine Ausgabe des Neuen Oberbayrischen Wochenblattes!

Roman fand den Brief eines Autors: "Lieber Klaus. Nachdem mich die Bankangestellten dieses Monat schon wieder ausgelacht haben, als ich mein Gehalt abholte, möchte ich auf diesem Weg ersuchen, ...." Nein, das ist auch nichts! Ich fürchte, wir müssen uns dem Restmüll zuwenden. Entweder stimmte etwas mit der Münze nicht oder Roman hatte soviel Glück, aber egal. Wir entfernten die ersten Schichten aus der Tonne und gruben uns langsam tiefer - Kartoffelschalen, Konservendosen, eine angeknabberte Zimmerpflanze, ein ... igittigitt ..., Kaffeesud, leere Kugelschreiber - absolut nichts zu finden. Wir beschlossen, uns den nächsten Tag frei zu nehmen, um etwas den Frust abzubauen. Eine halbe Woche war bereits vorüber, und wir standen noch immer mit leeren Händen da.

Nach einer ausgiebigen Einkaufstour am Stachus, bei dem jeder von uns zwei oder drei Eau de Toilette gekauft hatte, und mehreren kulinarischen Zwischenstopps, hatten wir wieder neue Energien gesammelt, um unser nächstes Reiseziel anzusteuern.

Beim nächsten Autor wurde uns zum Glück wieder den Idealfall beschert - ein nettes, kleines Einfamilienhaus mit einem netten, kleinen Einfamilienmistkübel. Zum Glück hatten wir in der Früh, nach der Ankunft am Bahnhof, beschlossen, uns für einen Tag ein Leihauto zu nehmen, da wir uns über eine Stunde durchfragen mußten, bevor wir Hans Gerhards (Name von der Redaktion geändert) entlegenes Domizil am Waldrand der kleinen Ortschaft fanden, aber wir waren frohen Mutes, nach fast einwöchiger Suche endlich fündig zu werden.

Wir stürzten uns zunächst auf das Altpapier. Es waren zwar einige interessante Notizen dabei, aber kein Exposé, bloß viele Zeitungen, ein eingerissener und zerknüllter Brief ("Sehr geehrter Hans Gerhard. Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, daß Ihre Anfrage bezüglich Ihres Gehaltes ....") und ein großes, kreisrund ausgeschnittenes Bild von KNF's Gesicht, in dem sich viele winzig kleine Löcher befanden, vor allem im Bereich der Nase.

Als Heinz und ich gerade zum Restmüll übergehen wollten, begann plötzlich Roman, der vorne beim Zaun stand, wie wild mit den Armen zu fuchteln, doch zu spät. Plötzlich stand Hans Gerhard vor uns. Wir schluckten einmal kräftig und überlegten uns gerade eine passende Ausrede, als er uns mit einem Augenzwinkern einen 10 Mark Schein in die Hand drückte und sagte: "Hinter dem Haus liegt auch noch was, das nehmt ihr doch bitte mit ..."

Und so schleppten wir einen alten Ölofen, ein kaputtes Radlager und einen morschen Sessel zu unserem Auto und packten alles aufs Dach. Als wir die Restmülltonne in unseren Kofferraum entleerten, hielt uns Hans Gerhard freundlich den Kofferraumdeckel in die Höhe, nachdem er zuvor noch gemeint hatte, früher hätten die Müllabfuhrautos aber anders ausgesehen. Na ja, immerhin hatten wir dann später Zeit, in aller Ruhe auf einem Parkplatz den Mistberg zu untersuchen, aber wir wußten schon vorher, was dabei herauskommen würde.

Bei der Rückgabe des Autos am Abend rümpfte der Angestellte zwar etwas die Nase und inspizierte aufs genaueste das Wageninnere, aber zum Glück hat er nicht in den Kofferraum gesehen. Den Sperrmüll hatten wir ohnehin schon irgendwo unterwegs abgeladen.

Als wir wieder im Zug Richtung Heimat saßen, mußten wir eine traurige Bilanz ziehen. Allerdings - es gab noch eine letzte Hoffnung! Unweit von Wien wohnte der letzte Autor, den wir noch aufsuchen wollten. Am nächsten Morgen machten wir uns auf, um die Jagd nach der begehrten Unterlage endlich abzuschließen. Das Haus hatten wir rasch gefunden. Lustlos stocherten wir in den Mistkübeln im Hinterhof herum, als plötzlich Heinz einen Schrei ausstieß. Er hielt mehrere Papierfetzen in der Hand, die er beinahe andächtig am Boden ausbreitete und dann zusammensetzte. Es waren alle Teile vorhanden, und mit einem Klebeband verband er vorsichtig die einzelnen Stücke. Wir konnten nicht glauben, was wir da gefunden hatten - in großen Buchstaben stand ganz oben am Blatt: EXPOSE!

- Ernesto Gwühl-Tscheeg - Abgesandter von IHR

- Harlham, Etzgans und Ornagor - drei galaktische Händler

- Trüdeldü und Sümsümherüm - zwei Blues

Die aktuelle Geschichte spielt auf Terra des Jahres 1999. Ernesto wird von IHR durch einen Zeittunnel geschickt, da er einige wichtige Utensilien besorgen muß, die von IHR benötigt werden, um das Gefüge des Universums aufrecht zu erhalten. Trüdeldü und Sümsümherüm, zwei Blues von der Gegenseite, verfolgen unseren Helden und gönnen ihm keine Verschnaufpause. Zunächst geht er zu Harlham, um dort Informationen zu besorgen. Der Händler gibt ihm eine Tageszeitung, ein galaktisches Rätselheft und zwei Packungen Liquitiv-Stengel. Als er das Geschäft verläßt, taucht einer der Blues auf. Ernesto hechtet hinüber zum Galactic Fruit Center, wo er bei Etzgans 3 gelbe Langfrüchte aus der Heimat von Ras Tschubai sowie ein Kilogramm Äpfel - eine auf Terra der Gegenwart schon fast ausgestorbene Obstsorte - mitnimmt. Die Verfolger sind jedoch unerbittlich. Sie hetzen Ernesto drei Gassen weiter, dann rechts um die Ecke und schließlich in das kleine Eckgeschäft von Ornagor, wo er sich verbarrikadieren kann. Der Springer steckt ihm geheime Informationen zu, die sich in kodierter Form in einem Päckchen Milch, einem Laib Brot und einem Schinkenstück befinden. Als er das Geschäft verläßt, wird er von den Blues gestellt. Nachdem er bei jedem der beiden seine Kapitulation unterschrieben hat, lassen sie ihn ziehen. Er begibt sich auf schnellstem Wege zu seiner kosmischen Burg, wo er bereits von IHR erwartet wird.

Endlich am Ziel - ein Exposé!!!
Ein Teil des Exposés

Wir hatten es geschafft! Das Exposé war unser! Was uns allerdings nicht ganz klar war, warum dann noch als letzter Satz auf dem Zettel stand: "Ich hoffe, du merkst dir so die Einkäufe besser als beim letzten Mal. Mausi." Das mußte wohl eine Anspielung auf seinen vorhergehenden Roman sein. Jetzt stellte sich nur mehr die Frage: Wer ist Mausi? Das wird wohl zentrales Thema des nächsten Exposés sein. Okay, Leute, zieht euch die Gummihandschuhe wieder an, wir suchen weiter!