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Reginald Bull wälzte sich gähnend aus dem Bett und blickte auf den Wecker. Rot leuchtende Ziffern sprangen ihn förmlich an: 10:47 Uhr.
Langsam rieb er sich mit der rechten Hand über die Augen. Zeitgleich versuchte er sich mit leicht verzogenen Mundwinkeln zu erinnern, wann er gestern - oder besser gesagt heute - ins Bett gekommen war. Schemenhafte Szenen erschienen vor seinem geistigen Auge. Sie zeigten Atlan und ihn in einem Raumfahrerlokal. Auf dem Tisch vor ihnen standen zwei Dutzend geleerte Schnapsgläser. Diese wurden umrahmt von vier Flaschen, die die zwei Freunde ebenfalls von ihrem alkoholischen Inhalt befreit hatten. Angesichts der getrunkenen Alkoholmenge wollte Bull mehrmals den Kopf schütteln - es blieb bei einem Versuch. Ein fürchterliches Pochen in seinem Schädel vereitelte jede weitere Wiederholung dieser Bewegung.
Abwechselnd fluchend und seufzend wankte er unsicheren Schrittes in Richtung Bad. Doch selbst das kühle Naß vermochte die bleierne Müdigkeit nicht aus seinen Gliedern zu entfernen. Nur mit einem überlangen T-Shirt bekleidet trottete er schließlich müden Schrittes in die Küche. Dort angelangt, entschloß er sich, es mit einem Vitamindrink zu versuchen.
"Servo, ein Glas Orangensaft", verlangte er in Richtung der allgegenwärtigen Hauspositronik. Eigentlich seltsam! Da legt der Mensch so viel wert auf eine Privatsphäre und dann gestattet er einem seelenlosen Computer, ihn Tag und Nacht zu überwachen, dachte er in einem Anfall von geistiger Klarheit. Er fragte sich, was wohl passieren würde, wenn es jemand gelänge, seine Hauspositronik anzuzapfen. Seine Gedanken wurden von der wohlmodulierten Stimme des Hausservos unterbrochen.
"Tut mir leid, Reginald. Aber du hast mich vor einer Woche so programmiert, daß der Haushalt nicht mehr zu meinen Aufgabengebieten zählt. Du wolltest alles selbst erledigen. Angefangen vom Lebensmitteleinkauf bis zum Saubermachen."
Bull schlug sich mit der rechten Hand gegen die Stirn. Sofort meldete sich das Pochen wieder und er nahm es mit einem Seufzer zur Kenntnis. Kurz blitzte Hoffnung in seinen Gedanken auf. Vielleicht hatte er ... Der Terraner machte einen Schritt in Richtung Kühlschrank und riß die Tür auf.
"Leer - alles leer!" Verärgert über sich selbst schlug er die Kühlschranktür zu. Sie fiel krachend in die Angeln zurück.
Während er in Richtung des Wohnzimmers ging, überlegte er mit verzweifelten Gesicht, wo er jetzt seinen dringend benötigten Vitamindrink herbekommen könnte. Gleichzeitig dämmerte es ihm, weshalb im gesamten Wohnbereich die Kleidung von zwei Tagen verstreut lag. Mit einem lauten Knurrlaut ließ er sich in einen der Sesseln fallen. Augenblicklich paßte sich das "intelligente" Material des Couchsessels den Konturen seines Körpers an. Bulls Blick fiel in Richtung Garten und glitt entlang der Wiese, bis seine Augen bei dem grünen Gartenzaun des Nachbargrundstücks verharrten.
"Gucky!"
Wie ein Blitz schlug der Name des Ilts in seinem Bewußtsein ein. Natürlich! In der Küche des Mausbibers befand sich unter Garantie ein vitaminreiches Getränk. Jetzt hieß es nur mehr, es sich zu holen. Mit einem Ruck erhob sich der Terraner und hörte, wie sich das Material mit einem leisen Zischen wieder in die Ursprungslage zurückbewegte.
Reginald Bull öffnete mit einem kurzen Schub die Glastür, die sein Haus vom Garten trennte und begab sich in Richtung Gartenzaun. Das versperrte Tor stellte für den Terraner kein Hindernis dar - er kletterte einfach darüber.
Mit dem Rücken an den Zaun gelehnt, blickte Bull nachdenklich in Richtung des Hauses und des vor ihm liegenden Hindernisses. Der Ilt war so nett gewesen, eines seiner Gemüsebeete genau vor dem Gartenzaun mit dem schwarzen Tor zu Bulls Anwesen zu plazieren. Dieses Anbaugebiet mußte er jetzt durchqueren, wollte er zur großen Villa seines Freundes gelangen. Er rief sich in Erinnerung, daß der Kleine verdammt sauer werden würde, wenn er ihm auch nur eine einzige Pflanze abknicken würde. Kurz überlegte der rothaarige Terraner, ob er nicht den Rückweg antreten sollte, um den Mausbiber anzurufen. Er entschied sich dagegen. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, darauf bedacht, nur ja keine Pflanze zu berühren.
Plötzlich wurde er von dem bedrohlichen Brummen einer Biene abgelenkt, die in seinen roten Haaren wohl eine ganz besonders schöne Blume erspäht hatte. Mit der linken Hand fuchtelnd versuchte er sie zu vertreiben. Gleichzeitig stand er nur auf einem Fuß, weil er just in diesem Moment eine der Längsfurchen überqueren wollte. Sein rechter Fuß befand sich genau über einer prächtig gedeihenden Pflanze. Er hatte keine Ahnung, wie das Gemüse unter ihm hieß, aber er wußte um die schreckliche Rache seines kleinen Freundes, wenn sein Fußballen darauf landen würde. Mühsam balancierte er seinen Körper aus. Im letzten Augenblick landete sein rechter Fuß auf dem Boden. Er blickte an sich hinunter. Reginald Bull hatte sein Bein in die braune Erde gesetzt. Die Pflanze blühte wenige Zentimeter neben seiner rechten Zehe weiter. Erleichtert atmete er geräuschvoll aus und marschierte weiter durch das Gemüsebeet. Die Biene hatte inzwischen bemerkt, daß es keinen Sinn hatte, in Bulls Haaren nach Nektar zu suchen und flog in Richtung eines anderen Nahrungslieferanten. Als er ihr nachsah, fiel ihm ein, daß er auch mit Hilfe eines Gravo-Paks über die Plantage hätten schweben könnten. Er preßte einen Knurrlaut durch die Lippen und entschied sich fürs Weitermarschieren.
Nachdem Bull die "Plantage" hinter sich gebracht hatte, war er schweißüberströmt vor Anstrengung. Mit einer kurzen Handbewegung wischte er sich die kleinen Feuchtigkeitstropfen von seiner Stirn. Die restliche Strecke zur Terrassentür des Hauses legte der rothaarige Terraner sehr schnell zurück. Vor der Glastür bei Guckys Haus hielt er kurz inne und überlegte, ob sein Handabdruck den Öffnungsmechanismus der Schiebetür aktivieren würde. Er glaubte sich zu erinnern, daß es in der Vergangenheit immer funktioniert hatte. Kurz entschlossen legte er seine rechte Hand auf den blauen Sensor und wartete.
Doch nichts geschah. Weder bewegte sich die Tür noch meldete sich der Hausservo. Bull fluchte lautstark und rief in selbiger Lautstärke nach der Hauspositronik, doch die ignorierte ihn gekonnt. Verärgert begann er nun gegen das Glas zu klopfen, was mit zunehmender Zeit in einem regelrechten Hämmern mündete.
Erst jetzt reagierte der Servo - allerdings anders als von Bull gewünscht. Die Hauspositronik deutete Bulls Hämmern unverständlicherweise als Einbruchsversuch und verständigte das TPD, das Terrania Police Departement. Zusätzlich schickte sie zwei Hausroboter, die den vermeintlichen Eindringling bis zum Eintreffen der Exekutive hinhalten sollten. In Sekundenschnelle übermittelte der Servo zwei Aufnahmen des Kriminellen, die nur Sekunden nach dem stillen Alarm im Hauptquartier der Polizei von Terrania eintrafen. Dort setzte sich das weitere Geschehen in aller Routine fort. Zuerst wurden die zwei Holos an die Zentralpositronik der Polizei weitergeleitet. Der Computer verglich die farbigen Bilder mit denen der gespeicherten Straftäter. Da aus naheliegenden Gründen keine Übereinstimmung mit dem jetzigen Verbrecher gefunden werden konnte, lautete das Ergebnis folgendermaßen: Die abgefragte Person wird in keiner Strafdatei geführt.
Keiner der Beamten hatte bis zu diesem Zeitpunkt die Aufnahmen auch nur zu Gesicht bekommen und so leitete der Rechner die beiden Bilder an die Gleiterpositronik des Einsatzleiters, Randall Thawne, weiter. Thawne, ein hochgewachsener, schlanker Terraner mit markanten Gesichtszügen befehligte eine Staffel von fünf Gleitern, die bereits mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung von Guckys Villa unterwegs waren. Während die Fluggeräte über die inneren Bezirke von Terrania hinwegrasten, betrachtete der Einsatzleiter das Hologramm. Es zeigte den Terroristen in zwei Varianten: als Brust- und als Ganzkörperholo. Auf ersterem konnte man einen Mann mit verbissenem Gesicht und strubbeligen, rötlichen Haaren sehen, der eine entfernte Ähnlichkeit mit Reginald Bull aufwies. Bereits ein kurzer Blick auf die Kleidung in dem Ganzkörperholo ließ den Gedanken an den Solarmarschall schnell wieder verschwinden. Es zeigte einen Mann, der außer einem bis zum halben Oberschenkel reichenden T-Shirt nichts weiter erkennbares trug. Die Vorderseite des T-Shirts war mit einem Skelett bedruckt, das mit einem blutigen Vibratormesser auf irgendeine, nicht näher identifizierbare, Fleischmasse einstach. Zusätzlich stand noch der Name einer Underground-Band in roten, blutverschmierten Lettern über dem Skelett. Es kam weder dem Einsatzleiter noch den anderen Beamten in den Sinn, daß der stellvertretende Großadministrator privat so herumlaufen würde.
"Leute", sagte Thawne in Richtung seiner Untergebenen, "das ist der Verbrecher, der Gucky an den Pelz will. Seine Waffen versteckt er wohl unter dem T-Shirt."
Der Funker des Polizeigleiters unterrichtete seinen Chef vom letzten Funkspruch aus der Zentrale. Dieser besagte, daß aufgrund der Berühmtheit und Wichtigkeit des Ilts die Solare Abwehr verständigt worden war. Von deren Hauptquartier aus starteten augenblicklich mehrere Staffeln Spezialgleiter mit schwerbewaffneten Eliteeinheiten, die als Verstärkung für die Polizeitruppe dienen sollte. Gleichzeitig nahm man mit allen anderen Unsterblichen und den restlichen Viertelbewohnern Kontakt auf, da man einen Anschlag auf das Leben der gesamten Führungsmannschaft des Solaren Imperiums nicht ausschließen konnte. Ebenso wurden alle verfügbaren Mutanten von der Notsituation verständigt. Weil die beiden Teleporter, Kakuta und Tschubai, in anderen Sonnensystemen ihren wohlverdienten Urlaub genossen, mußte der Transport zu dem Tatort über Transmitter und Gleiter organisiert werden. Das alles war Teil eines gut ausgeklügelten Plans für solche Zwischenfälle. Während die Polizei- und SolAb-Gleiter in einem eigenen Luftsektor ungehindert zu dem Villenviertel von Terrania flogen, führten die Warnanrufe bei den Hausbewohnern zu einer ziemlichen Aufruhr in der ganzen Gegend. Viele Bewohner versuchten sich vor dem Attentäter mit Hilfe ihrer Gleiter in Sicherheit zu bringen. Das derart entstandene Flugchaos in der Luft blieb den Medien ebensowenig verborgen, wie die hektischen Funksprüche der Polizei und der Solaren Abwehr. Trotz der ständig wechselnden Verschlüsselung gelang es den hochbezahlten Abhörspezialisten der Nachrichtensender in kürzester Zeit, die Codes zu knacken. Die Nachricht über den Anschlag auf den beliebtesten Außerirdischen im Solsystem schlug in den Redaktionszimmern der Medien wie eine Gravitationsbombe ein. Wie eine Schar Haluter zu Beginn ihrer Drangwäsche wurden eilig Gleiter, Robotkameras und Reporter ins Zielgebiet geschickt. Trivideofilme und sogar die meistgesehene Seifenoper im Sonnensystem, "Der Solar-Clan", wurde durch Liveschaltungen unterbrochen. Die Spekulationen über den Hintergrund des Attentats reichten von "Geheimer Notfallübung" bis zu einer "Invasion von feindlichen Außerirdischen". Letzteres wurde vor allem mit dem Hinweis auf die zahlreichen Feinde der Terraner in der Milchstraße begründet. Der Standardkommentar von offizieller Seite lautete zu diesen Vermutungen selbstverständlich: Kein Kommentar.
Vor Guckys Haus hatte Bull in der Zwischenzeit ganz andere Sorgen. Die beiden klobigen Arbeitsroboter, die von der Hauspositronik zur Abwehr des Einbrechers gesandt worden waren, hielten schnurstracks auf den Solarmarschall zu und der entschloß kurzerhand, auf den Orangensaft zu verzichten. Bull trat den geordneten Rückzug an. Diesmal kümmerte er sich einen Dreck um das liebevoll angelegte Gemüsebeet seines Freundes. Bei seiner Flucht zertrampelte er so etliche Pflanzen des Ilts. Der Terraner hatte damit gerechnet, daß ihm die Roboter bei seinem Abgang durch das Gemüsebeet nicht folgen würden. Sie hätten nämlich mangels Flugfähigkeit genauso wie er durch die Plantage stampfen müssen. Aufgrund ihrer Konstruktion hätten sie dabei ähnliche Schäden angerichtet, wie der Terraner bei seiner überhasteten Flucht.
Nachdem Bull hinter seinem Gartenzaun anhielt, beglückwünschte er sich zu seinem gewählten Fluchtweg. Die Roboter standen gemäß ihrer Programmierung in einiger Entfernung vor der Plantage und richteten ihre Sensoren auf ihn. Der Vizegroßadministrator zeigte den Maschinenwesen nicht ganz standesgemäß den berühmten Finger und lächelte über seinen errungen Sieg. Hätte er aber gewußt, daß die Roboter die Einzelheiten seiner Flucht an die Polizei weitergeleitet hatten, wäre ihm das schadenfrohe Lächeln im Gesicht eingefroren.
Gerade als Bull die Polizeisirenen aus weiter Ferne hörte, vernahm er das eindringliche Läuten eines Interkomanschlusses. Es kam aus seinem Wohnzimmer. Schnurstracks marschierte er in seine Villa zurück und befahl dem Hausservo, die Verbindung herzustellen. Sofort baute sich vor ihm eine Holographie auf und er erblickte einen hohen Beamten der Solaren Abwehr. Dieser wunderte sich zwar in Gedanken über das T-Shirt, aber er brachte es nicht mit dem Holo des Terroristen in Verbindung, da der Beamte das Holo nie zu Gesicht bekommen hatte.
"Tag, Herr Solarmarschall. Wir haben gerade erfahren, daß auf Gucky ein Anschlag verübt worden ist. Der Täter befindet sich vermutlich in Ihrem Garten, Sir", begann er übergangslos.
Bull fielen fast die Augen aus dem Kopf als er diese Mitteilung hörte. Aufgrund der Nachwirkungen der Zechtour entging dem rothaarigen Terraner, daß er den Terroristen bei seiner Flucht vor den Arbeitsrobotern hätte bemerken müssen. Er hörte nur die Wörter "Anschlag" und "Gucky". Daraus ergab sich auch seine Antwort.
"Was?! Wie geht es Gucky? Ist er verletzt?"
"Darüber liegen uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine
Informationen vor, Sir."
"Gut, Sie sagten, der Terrorist ist in meinem Garten. Den schnappe ich
mir!"
"Davon würde ich abraten, Sir", riet ihm der SolAb Beamte.
"Überlassen Sie das unseren Spezialeinheiten. Die sind bereits auf
den Weg zu Ihnen und müßten jeden Moment vor Ort
eintreffen."
"Ja, ja schon gut", meinte Bull und schaltete den Interkom mit einer
Handbewegung ab.
Der Beamte am anderen Leitungsende deutete Bulls Worte so, daß sich dieser im Haus aufhalten würde und von der Verbrecherjagd Abstand genommen hatte. Genau dies wurde auch den Spezialeinheiten in der Luft mitgeteilt. Erleichtert nahm der Einsatzleiter Thawne diese Nachricht zur Kenntnis. Niemand mußte nun Rücksicht auf den Unsterblichen nehmen.
Bull dachte aber nicht im geringsten daran, tatenlos zuzusehen, wie ein Terrorist seinen besten Freund, den Ilt, verletzte und damit vielleicht ungeschoren davon kam. Er rannte in seinen Arbeitsraum und riß die Tür eines Schrankes auf. Dann schnappte er sich nach kurzem Überlegen einen Kombistrahler und zog sich eine schwarze Jeans an, die auf dem Wohnzimmerboden lag. Verärgert darüber, den Terroristen nicht schon auf seiner Flucht vor den Robotern entdeckt zu haben, schlich Bull geduckt in seinen Garten zurück. Vorsichtig pirschte er die Hauswand entlang und ging schließlich hinter einem Strauch in Deckung. Mit der Waffe im Anschlag spähte er durch die Zweige und verwünschte die Tatsache, daß er keinen Individualtaster mitgenommen hatte. Da hörte er auch schon die Triebwerksgeräusche der schnell näherkommenden Gleiter und fluchte leise. Reginald hatte ebenfalls vergessen sich ein Funkgerät einzustecken. Damit hätte man die Suche besser mit der Polizei koordinieren können. Seine Vergeßlichkeit begründete er mit der undeutlichen Erinnerung an die zwei Dutzend Schnapsgläser, die er und Atlan geleert haben dürften.
An Bord der Gleiter waren die Beamten hoch erfreut, daß es ihnen der Attentäter so einfach machte. Wie konnte er nur glauben, sich hinter einem Strauch wirkungsvoll verstecken zu können? Daß der Mann nun auch sichtbar eine Waffe trug, bestätigte noch zusätzlich ihren Verdacht, es mit einem gefährlichen Terroristen zu tun zu haben. Die Spezialisten ließen sich auf keine Experimente ein und paralysierten den Attentäter ohne Vorwarnung. Da ihre leistungstarken Individualtaster und Infrarotgeräte keine weiteren Personen auf dem Grundstück oder in den Häusern erkennen konnten, wurde die Erfolgsmeldung sofort an das Hauptquartier weitergegeben. Danach landeten die Gleiter, teils in Bulls und teils in Guckys Garten. Sie nahmen dabei keine Rücksicht auf die liebevoll angelegten Gemüsebeete des kleinen Mausbibers. Mit gezückten Waffen gingen sie zu dem Terroristen und waren höchst erstaunt in ihm den Solarmarschall Bull zu erkennen.
"Das bedeutet, daß der wahre Verbrecher immer noch irgendwo herumschleicht", folgerte der Einsatzleiter. "Verständigt die Zentrale. Und schafft Bull in einen der Gleiter", befahl Thawne geistesgegenwärtig. Während ein Polizist den Solarmarschall über die Schulter legte und mit ihm zum Gleiter rannte, gaben ihm seine Kollegen Rückendeckung. Erst als sich der Vizegroßadministrator in Sicherheit befand, begannen sie auf dem Gelände auszuschwärmen. Im Polizeigleiter erhielt Bull dann eine Injektion, die die Paralyse aufhob.
"Ahhhh?" war seine erste Reaktion, gefolgt von
einem Strecken der Nackenmuskeln.
"Wir sind vom TPD, Sir."
"Ach, ja. Ihr habt auf den Falschen geschossen," polterte der
Solarmarschall los, dessen Sorge um den Ilt sich sofort wieder in seinem
Bewußtsein meldete. "Los, ich will meine Waffe und dann schnappen
wir uns diesen Mistkerl! Wißt ihr schon irgend etwas von Gucky?"
Plopp!
"Ich bin hier. Was ist überhaupt los? Ich
höre andauernd nur etwas von einem Anschlag auf mich. Mich hat niemand
angeschlagen."
"Jemand hat versucht in dein Haus einzudringen", erklärte der
Beamte des TPD dem bepelzten Neuankömmling. "Der Servo hat uns davon
verständigt."
"Wie bitte?!" rief Bull irritiert. "Irgend etwas kann aber da
nicht stimmen. Wann soll das passiert sein?"
"Um exakt 11:08 Uhr."
"Moment, ungefähr um die Uhrzeit habe ich an Guckys Tür
geklopft. Ich wollte mir einen Orangensaft ausborgen", erklärte der
rothaarige Terranern dem verwundert dreinblickenden Polizisten.
"Sie?! Aber wir haben doch ein Holo von dem Täter und der sieht Ihnen
nicht ähnlich.""Zeigen Sie mir das Holo", verlangte der
Solarmarschall augenblicklich.
Der Beamte gab den entsprechenden Aktivierungsbefehl an die Gleiterpositronik. Vor den Männern und dem Ilt entstand das Verbrecherhologramm. Bulls Kinnlade fiel nach unten und seine Augen wurden groß.
"Aber ... aber", stotterte er, "das bin doch ich." Als er sich wieder gefangen hatte, deutete er abwechselnd auf sich und auf das Hologramm. "Schauen Sie doch! Dasselbe T-Shirt. Und die Jeans hatte ich auf dem Holo noch nicht an."
Gucky begann schrill und laut zu lachen. "Bully, der Terrorist! Herrlich! Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir: Wunsch nach Orangensaft führte zu Großeinsatz der SolAb und des TPD."
"Ja, ja, wenn du deine Hauspositronik richtig
programmiert hättest, wäre es nie zu diesem Zwischenfall
gekommen", keifte Bull mit verkniffenem Gesicht zurück. Zum Beamten
gewandt verlangte er: "Geben Sie mir den Einsatzleiter, aber rasch
bitte."
"Sofort, Sir", bestätigte der Mann stellte umgehend die
Sprechverbindung her.
"Hier Thawne."
"Tag, hier ist Bull. Blasen Sie die Suchaktion sofort ab. Das Ganze war
ein großes Mißverständnis."
"Wir haben aber den Terroristen noch nicht...", beharrte Thawne.
"Haben Sie mich nicht verstanden? Ich sagte, daß die Aktion sofort
einzustellen ist. Klar?!" Man sah dem ansonsten gutmütigen Terraner
an, daß er keine weitere Diskussion über seinen Befehl
wünschte. - "Jawohl Sir."
Dann klärte ihn Bull über das Mißverständnis auf.
"So, und wer kommt mir für die Schäden an meinen Gemüsebeeten auf?" fragte Gucky in die Runde der lächelnden und kopfschüttelnden Beamten.
"Deine Sorgen möchte ich haben", schnauzte ihn Bully an und konnte Sekunden später den Boden von vier Metern Höhe aus betrachten. Langsam driftete der Terraner durch Guckys Geisteskräfte getragen aus dem Gleiter und fand sich schließlich im Freien wieder. Der Ilt verließ den Gleiter mittels Kurzteleportation. Dies führte zu einem plötzlichen Absturz von Bull um ungefähr einen viertel Meter. Gucky korrigierte die Auswirkungen der Schwerkraft umgehend und verfrachtete den Terraner in eine Höhe von fünf Meter über dem Boden.
"Du!", rief der Mausbiber und deutete anklagend auf den Vizegroßadministrator. Seine feinen Tasthaare zitterten vor Aufregung. "Du bist schuld, daß die hier so einen Zirkus veranstaltet haben. Du wirst mir deshalb meine Beete wieder richten."
"Daß kannst du gleich vergessen, mein Lieber", tönte Bull mutig von oben. "Wer hat denn seine Hauspositronik so idiotisch programmiert, daß sie mich nicht erkannt hat? Na, wer war denn das?"
"Blödsinn, die hat nur normal reagiert", versuchte es der Mausbiber mit einer fadenscheinigen Begründung. Als Ablenkung versetzte er seinen Kumpel in eine langsame Rotationsbewegung.
"Hör sofort auf damit!" brüllte Bull nach der ersten Umdrehung. "Und laß mich auf der Stelle runter! Da schweben überall Kameras in der Nähe." Der Solarmarschall spielte auf die unzähligen Robot-Aufnahmegeräte der Nachrichtenstationen an. Er konnte sich vorstellen, wie sein Anblick in den Nachrichten wirken würde. Auch, wenn er an die Kommentare der Medienvertreter dachte, schwante ihm nichts gutes. Und er sollte recht behalten.
Das Medienecho über die Geschichte reichte von "Bull, der Einbrecherkönig" bis zu "Eine weitere Fehde zwischen Bull und Gucky - Fortsetzung folgt". Die Geschichte wurde fast überall bildmäßig folgendermaßen begleitet:
Die meisten Nachrichtensendungen zeigten einen in luftiger Höhe rotierenden Reginald Bull. Unter ihm stand der Mausbiber mit ausgestreckter, zur Faust geballten Hand. Dazu wurden von den Journalisten hauptsächlich Kommentare über den Musikgeschmack des zweithöchsten Staatsmannes im Solaren Imperium abgegeben. Als Nebeneffekt wurde die Musikgruppe derart ziemlich berühmt. Jedenfalls sorgte Bull mit diesem Zwischenfall für monatelangen Gesprächsstoff in den diversen Gazetten und auf Parties. Manche Historiker bezeichneten das Geschehen später sogar als das aufsehenerregendste Ereignis des ganzen Jahres.