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Wenn man sich die Mühe macht, die Enzyklopädie von Terrania durchzuarbeiten, stößt man zwangsläufig auf seltsam anmutende Ereignisse. Manche Probleme konnten nämlich von Rhodan & Co. nur auf ungewöhnliche Art gelöst werden. Zum Beispiel mußte Perry Rhodan, um den Riesenrobot OLD MAN im November des Jahres 2436 zu übernehmen, das Lied "I’m forever blowing bubbles" von den Clark Sisters aus dem Jahre 1960 singen.
Hierbei stellte sich heraus, daß der Großadministrator doch nicht alles so perfekt beherrscht, wie das Volk es gemeinhin annahm. Perry hat, und er möge dem Chronisten verzeihen, eine saumäßige Stimme. Oder anders gesagt: Perry Rhodan kann nicht singen.
Zu seinem Glück fand dieser unfreiwillige Gesangsauftritt vorerst unter Ausschluß der Öffentlichkeit an Bord von OLD MAN statt. Dort wurden nur zwei Personen Zeugen von Rhodans kläglicher Singstimme. Einer dieser Gefährten nahm die kleine Jam-Session ohne sein Wissen auf Band auf. Kurze Zeit später, OLD MAN befand sich dank Rhodans Sangeskünsten unter der Kontrolle der Terraner, wurde der Mitschnitt des Privatkonzerts veröffentlicht. Auf dem Musikchip konnte man sich dann wie üblich auch gleich mehrere Versionen des Liedes "reinziehen", wie man in Rhodans Jugendzeit gesagt hätte. Es gab eine "Def Uncensored Version", eine "Galaxy Dance Version", eine "Radio Edit-Version" und eine "20th Century Neandertal Version". Zur Überraschung aller Beteiligten stürmte die Single in die Hitparaden, und das nicht nur im Solsystem, sondern gleich in der ganzen Galaxis. Unbestätigten Gerüchten zufolge wurde sie sogar der Chartbreaker in der Hitparade der Maahks in Andromeda.
Die offizielle Reaktion des Großadministrators auf diesen kleinen Streich ist in der Enzyklopädie Terrania nachzulesen. Sie zeigt einen beherrschten, gefaßten, verständnisvollen und leicht lachenden Perry Rhodan. Doch stimmt das auch mit der Wirklichkeit überein?
Nach dem Streß mit OLD MAN lag Bull entspannt in einem Sessel auf seiner Terrasse. Er genoß die friedliche Geräuschkulisse des Gartens. Sie wurde plötzlich durch ein Pochen unterbrochen. Zeitgleich teilte ihm der Hausservo mit, daß Perry Rhodan Einlaß begehrte. Das Hologramm zeigte den Großadministrator mit wutentbranntem Gesicht an die Eingangstür hämmern.
"Los Bully! Mach auf, du Verräter! Ich weiß, daß du da bist."
Bull zog kurz seine rechte Augenbraue hoch. Er konnte sich nicht erklären warum Perry so aufgeregt war. Reginald überprüfte sein Gewissen und fand nichts, was Rhodans Verhalten rechtfertigen konnte. Der rothaarige Terraner veranlaßte die Öffnung der Haustüre. Sofort stürmte der sichtlich erzürnte Rhodan auf ihn zu.
"Also?! Wer von euch Witzbolden war das? Du oder Gucky?"
Bull setzte seine beste Unschuldsmiene auf und entgegnete: "Ähem? Was denn?"
"Stell dich nicht so blöd! Ich meine das Lied!" brüllte Rhodan und hielt Reginald die rechte, zur Faust geballte Hand unter die Nase.
"Welches Lied?"
"Ich kündige dir die Freundschaft, wenn du nicht sofort mit der Wahrheit herausrückst!"
"Tut mir leid. Ich soll auf der Stelle tot umfallen, wenn ich weiß wovon du redest."
Damit brachte er den hageren Terraner auf eine Idee, die dieser auch sofort formulierte: "Genau, das ist es! Ich nehme dir den Zellaktivator weg!"
Diese Aussage ließ Bull, der mittlerweile aufgestanden war, erschrocken einen Schritt von Perry wegtreten. "Wie bitte?" fragte er irritiert.
"Na gut. Damit bin ich zu weit gegangen. Du kannst deinen ZA behalten. Aber sage mir, wer diesen Mist veranstaltet hat?" verlangte Perry mit drohendem Unterton in der Stimme.
Bull versuchte ihn zu beruhigen und schob ihm einen Sessel hin. Widerwillig nahm der Großadministrator darauf Platz. Dann setzte er zu einer Erklärung an: "Jemand hat meinen Gesang an Bord von OLD MAN ..."
"Du solltest dabei aber nicht von Gesang sprech ..." Angesichts der Zornesader auf Perrys Stirn hielt es Bull für besser, den Satz nicht zu beenden.
"... aufgenommen und veröffentlicht", fuhr Rhodan energisch fort.
Bull konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sicherheitshalber verdeckte er es hinter seiner linken Hand.
"Laß mich raten: Du bist Nummer Eins in der Hitparade", scherzte Bull umgehend.
Rhodan sprang mit den Worten "Also, warst es doch du!" auf.
"Hey, das war doch nur Spaß, das mit der Nummer Eins", rechtfertigte sich der korpulent wirkende Terraner schnell.
"Ich bin aber Nummer Eins!"
Nach dieser Aussage des Großadministrators konnte sich Bull nicht mehr zurückhalten. Sein schallendes Gelächter ließ einige Vögel davonflattern. Er hatte Rhodans Gesang auf OLD MAN als Zuhörer genossen und feststellen müssen, daß Perry eine unmusikalische Stimme besaß. Er konnte nicht glauben, daß sich irgend jemand dieses Lied freiwillig anhören, geschweige denn kaufen würde. Wenn er aber andererseits an manche neuzeitliche "Sänger" dachte, konnte selbst ein Perry Rhodan mit dem richtigen Studioequipment Karriere machen.
"Gratuliere!" bemerkte Bull, immer noch lachend. "Wieso habe ich die Single noch nicht? Oder ist es vielleicht gleich ein ganzes Album geworden? Und warum hast du mir nichts davon erzählt, daß du einen Song aufnimmst? Ich hätte gerne im Chor gesungen."
"Hörst du mir eigentlich zu?", fragte Rhodan mit lautem Tonfall. "Ich habe keine Single aufgenommen. Jemand hat meinen Gesang mitgeschnitten und daraus einen Musikchip produziert. Und es waren außer mir nur zwei Personen in dem Raum in OLD MAN."
"Gucky und ich", dämmerte es Reginald Bull plötzlich.
"Genau! Also muß es einer von euch gewesen sein! Oder steckt ihr beide vielleicht unter einer Decke?" wollte Rhodan mit lauernder Stimme von seinem ältesten Freund wissen.
"ES behüte! Ich und der Ilt ... unter einer Decke. Grauenvolle Vorstellung!" versuchte Reginald einen schlüpfrigen Witz.
"Du weißt, wie ich es meine", wies ihn Perry verärgert zurecht.
"Also, ich schwöre dir bei unserer jahrhundertelangen Freundschaft: Ich war es nicht!"
"Dann bleibt nur Gucky über. Dem ziehe ich das Fell über die Ohren!"
Rhodan ließ Bull einfach stehen und stürmte in Richtung von Guckys Haus. Da sich das Anwesen des Ilts neben dem Grundstück des Vizegroßadministrators befand, mußte er nur die Gartenzauntür öffnen und stand im Garten des Mausbibers. Bull folgte in Rhodans Windschatten. Er wollte es auf keinen Fall verpassen, wenn der Kleine Prügel abbekam. Während Rhodan schnurstracks durch das Gemüsebeet des Ilts marschierte, zog es Bull vor, mit äußerster Vorsicht am Rand entlang zu wandern. Gucky war auf seine Beete sehr heikel. Er konnte sich da an eine Geschichte erinnern ... Bull schüttelte den Kopf und verdrängte den kurzen Gedanken.
Mittlerweile befand sich Rhodan vor der Terrassentür. Mit einer kurzen Handbewegung wollte er sie aufreißen. Es mißlang ihm, da sie versperrt war. Wutentbrannt schlug Perry mehrmals gegen die widerstandsfähige Glastür.
"Gucky, du Verräter! Öffne sofort die Tür! Ich weiß, daß du zu Hause bist."
"Woher weißt du das?" fragte Bull, der neben Rhodan Position bezogen hatte.
"Ach was!", war die ganze Reaktion.
Schließlich reagierte Gucky auf Rhodans Hämmern. Er zeigte sich im Wohnzimmer und esperte. Dank Mentalstabilisierung prallten Guckys telepathische Geistesströme an Rhodan ab. Bulls Gedanken lagen hingegen wie ein offenes Buch vor ihm. So erfuhr der Kleine, wie wütend Perry auf ihn war. Deshalb zog er es vor, im sicheren Haus zu bleiben. "Gucky, du verfluchter ..."
"Aber Perry", maßregelte Reginald seinen ältesten Kumpel. Endlich konnte er sich revanchieren. Schließlich mußte er sich ständig von Perry anhören, was für einen schlechten Wortschatz er doch benutzte. Perry hatte für die Zurechtweisung nur ein Knurren übrig.
"Gucky, wenn du nicht sofort ..." Rhodan unterbrach sich mitten im Satz und sah sich um. "Genau", sprach er zu sich selbst, "ich werde die Glastüre einschlagen."
Tatsächlich nahm er einen der Gartensesseln und holte zum Schlag aus. So weit wollte es der Mausbiber dann doch nicht kommen lassen.
"Plopp."
Mit diesem Geräusch verriet der Ilt nach einer Teleportation seine Anwesenheit. Rhodan stoppte mitten in der Bewegung und ließ den Sessel einfach auf den Fliesenboden fallen. Dann drehte er sich um und erblickte Gucky in einer Entfernung von zehn Meter.
"Perry, ich weiß, weswegen du dich so aufregst - aber ich bin unschuldig."
Ohne Worte stürmte Rhodan auf den Mausbiber los. Doch er kam nicht weit. Gucky hielt sich den Großadministrator telekinetisch vom Leib. "Laß das!!" brüllte Rhodan, der durch diese Aktion noch wütender wurde. Zornesadern erschienen auf seiner Stirn.
"Ich wiederhole mich, Perry! Ich habe mit dieser Aktion nichts zu tun! Du solltest aber mal den Dicken befragen, was er dazu zu sagen hat."
Bull, der die ganze Szene belustigt aus dem Hintergrund verfolgte, glaubte sich verhört zu haben. "Wie?! Ich soll ..."
"Leugnen ist zwecklos, Dicker", beharrte der Ilt und zeigte anklagend mit dem Zeigefinger auf ihn.
"Ich glaube ich spinne! Tot umfallen soll ich, wenn ich dieses Gegröle aufgenommen und veröffentlicht habe", schwor Reginald mit entsetztem Gesichtsausdruck. Abwehrend hielt er seine Hände vor den Oberkörper. Von Rhodan war nur mehr ein Schnaufen zu hören. "Perry, ich versichere dir, daß ich mit der Sache nichts zu tun habe. Bei unserer jahrhundertelangen Freundschaft!" beharrte er erneut.
"Jetzt reicht’s!" schrie Rhodan aufgebracht. "Ich will auf der Stelle von euch beiden wissen, wer dahinter steckt - sonst kündige ich euch die Freundschaft auf. Und außerdem - Reginald, dich enthebe ich aller Ämter und werfe dich aus der Regierung. Gucky, du wirst sofort degradiert und unehrenhaft aus dem Mutantenkorps entlassen. Vielleicht nehme ich euch auch gleich die Solare Staatsbürgerschaft ab."
"Du willst ... willst was?" fragte Bull und riß entsetzt die Augen auf.
"Degradieren will er mich - dabei werde ich doch ohnehin ständig degradiert. Weswegen bin ich denn immer noch Leutnant, obwohl ich die Erde und die Milchstraße schon mindestens hundert Mal vor dem sicheren Untergang gerettet habe?" beschwerte sich der Ilt sofort mit jammernder Stimme.
Rhodan sagte nichts mehr, sondern starrte beide abwechselnd an. Minutenlang schwiegen alle drei. Schließlich gab sich Gucky einen Ruck: "Na schön, bevor wir hier alle verfaulen - ich war es. Ich finde, du solltest dich jetzt wirklich beruhigen. Lach’ doch einfach über den Song."
"Lachen! Ja, genau das wird jetzt in der Galaxis passieren - alle lachen sich tot über meine Gesangskünste."
"Aber Perry, man muß doch über sich selbst lachen können", wiederholte Gucky seine Forderung von vorhin.
"Du ..." ertönte es von Perry, der einen erneuten Versuch startete, Gucky in die Finger zu bekommen. Er bemühte sich vergeblich. Der Ilt hielt ihn immer noch telekinetisch von sich fern.
"Perry, komm schon - so schlimm ist das doch wirklich nicht", versuchte jetzt auch Reginald seinen Kumpel zu beruhigen.
"Über dich lacht schließlich keiner in der Galaxis", meinte Rhodan giftig.
"Da wäre ich mir aber nicht so sicher", widersprach der Ilt. "Schließlich hört man in der einen Version auch Bullys Worte."
"Was?! Ich bin auch auf dem Chip?" fuhr ihn Bull an.
"Klar doch, Schlagerstar", antwortete der Ilt feixend.
"Jetzt möchte ich das Lied auch endlich einmal hören", verlangte Reginald von Gucky.
"Der Wunsch kann erfüllt werden", meinte der Mausbiber jovial. Anstelle ins Wohnzimmer zu gehen, holte er telekinetisch den kleinen Musikchip aus dem Regal und steckte ihn in den Player. In der Mitte des Liedes begann Bull zu lachen und setzte sich auf den Terrassenboden. Auch in Perrys Gesicht zeigten sich die ersten Zuckungen. Schließlich machte er es sich neben Bull bequem und beiden rannen vor lauter Lachen die Tränen über die Wangen hinunter. Der Ilt, der über diese plötzliche Wendung sichtlich erleichtert war, spionierte in Rhodans Gedanken, der sie nicht mehr abschirmte. Ihnen konnte er entnehmen, daß Rhodan den Wütenden nur gespielt hatte um seinen Freunden den Streich zurückzuzahlen. Rhodan hatte angenommen, daß beide für die Aufnahme und Veröffentlichung verantwortlich waren. So kam Bully unschuldig zum Handkuß. Gucky setzte sich neben die beiden Terraner. Alle drei hörten schließlich nochmals den kompletten Musikchip.
"Perry, ich nutze die Gelegenheit um dich zu fragen, ob du im Video mitspielst. Es reicht heutzutage nicht mehr den Track im Radio zu spielen, damit er die Hitparade anführt."
"Das erübrigt sich, mein lieber Gucky, ich bin bereits Nummer Eins."
Jetzt war der Ilt verblüfft. Die Plattenfirma hatte die gute Nachricht noch nicht an ihn weitergeleitet. Rhodan erzählte ihm, daß er bis vor wenigen Minuten auch keine Ahnung von seiner sensationellen Musikkarriere gehabt hatte. Ein Solarer Musiksender hatte bei ihm wegen eines Interviewtermins angefragt. Das Lied war von Null auf Platz Eins der Solaren Hitparade geschossen. Er erzählte auch, daß er sie beide sofort in Verdacht hatte.
"Na toll! Der Ilt baut Mist und ich muß dafür büßen. Das bekommst du zurück, Gucky" , kommentierte Bully Rhodans Worte.
Man einigte sich schnell, die Einnahmen aus der Verwertung des Musikchips an mehrere karitative Organisationen zu spenden. Monate später konnte Bilanz gezogen werden. Angesichts der Summe, die auf Guckys Konto überwiesen wurde, überlegte nicht nur Bull, ob er den falschen Beruf gewählt hatte. Nach einigen Gesangseinlagen unter der Dusche mußten aber sowohl Gucky als auch Bull ihre Träume vom schnellen Geld, von Groupies und den anderen Klischees begraben. Trotz des sensationellen Erfolges des Liedes konnte Rhodan weder zu einer neuen Single noch zu einem ganzen Album überredet werden. Damit blieb Rhodans Coverversion der einzige Hitparadenerfolg eines Staatsoberhaupts in den Chroniken der Galaxis.
