P.R.

 

OSTERSPAZIERGANG
IN WIEN

 

I. INTRO [Bericht Michael]

Als Klaus Bollhöfener eines Abends anrief und mich, beziehungsweise den Wiener PR-Stammtisch bat, einen Bericht zum Treffen mit Susan Schwartz und Ernst Vlcek zu schreiben, krümmte ich mich innerlich wie ein Wurm. Aus leidiger Erfahrung weiß ich, daß acht Wiener zumindest neun verschiedene Meinungen vertreten, und ein gemeinsam verfaßter Bericht ein Ding der Unmöglichkeit sein würde. Auf meine diesbezüglichen Einwände meinte Klaus nur lakonisch: „Du machst das schon!". Du machst das schon! Ha! Der Bursche sitzt wahrscheinlich träge und fett in Rastatt, beide Füße lässig auf dem mahagonigetäfelten Schreibtisch überkreuzt, von hübschen Vorzimmersekretärinnen verwöhnt, und gibt seinen Domestiken von Zeit zu Zeit übers Telefon gute Ratschläge à la 'Du machst das schon'!Einerlei. Als ich Klausens Wunsch also beim nächsten Stammtisch vortrug, entsprachen die Reaktionen genau meinen Erwartungen, und ich will gnädig den Mantel des Schweigens über die Diskussionen breiten. Nur soviel: als ich mich nach zwei Stunden verabschiedete, wurde gerade heiß über das österreichische Pensionssystem gestritten. So kommt es, daß der folgende Bericht eigentlich dreigeteilt ist: die Geschehnisse vom Treffen mit den Autoren am Wiener Westbahnhof bis zum Eintreffen in unserem Stammbeisl schildert Roman. Die Erlebnisse mit den beiden Autoren im Lokal „Ebbe und Flut" stammen aus meiner Feder, und Wolfgang Zenker blieb sozusagen der Rest zum Erzählen, sprich: 'Was geschah eigentlich bis zwei Uhr morgens im Jazzland?' Wenn hier nun unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen, so bitte ich das zu entschuldigen, aber wie gesagt: auch nur drei Wiener sind zumindest drei Meinungen.

 

II. NACHMITTAG: SPAZIERGANG [Bericht Roman]

Sol-System, 3. Planet (Terra), Bundesstaat Europa - Land Wien - Stadt Wien 29.3.1997 - 14:00 Ortszeit. Der vorgegebene Treffpunkt wurde von mir pünktlich erreicht, und das trotz widrigster Wetterumstände. Bei der Anfahrt mit dem Auto schickte uns der Himmel einen Hagelschauer, der dann auf dem Weg zwischen Parkplatz und Eingang Bahnhof in einen Regenschauer überwechselte. ES sei Dank schien kurz nach Betreten der Halle wieder die Sonne.

Unter der großen Anzeigetafel am Wiener Westbahnhof standen bereits einige wackere Fans, und es erfolgte eine freundschaftliche Begrüßung. Die kurze Wartezeit bis zur tatsächlichen Ankunft der beiden großen Helden verbrachten wir damit, uns über den letzten PR-Roman zu unterhalten (Bd. 1858). Tja, wir Österreicher liegen in einer Raum-Zeit-Falte und sind deshalb manchen unserer lieben Nachbarn im Norden um ganze vier Tage voraus. In Österreich bekommt man sein wöchentliches Suchtobjekt bereits am Freitag, und nicht erst am Dienstag der darauffolgenden Woche. Zurück zum Thema: Als der Autor dieser Zeilen bei einem in der Runde einen PR-Button erkannte, meinte er nur: „Gib das sofort runter, wir sind doch inkognito hier." Der Angesprochene kam allerdings meiner Aufforderung nicht nach. Ich sollte mir wohl etwas bezüglich meiner Autorität überlegen. Ach ja, ich habe ja gar keine. Soll's geben.

Selbes Datum, selber Ort, andere Zeit: 14:18 Uhr. Der Zug aus Frankfurt, über München kommend, hält und öffnet seine Türen. Aus einer von ihnen treten, frisch ausgeruht, Susan Schwartz und Klaus Bollhöfener. Nach erfolgter Begrüßung wollen die ersten Fans bereits Fragen zur Serie stellen. Sie werden allerdings auf den Abend und den Stammtisch vertröstet. Die ersten Bilder werden verschossen, und man bequatscht sich.

Zehn Minuten später erscheint ein helles Licht in der Halle. Aus diesem tritt ein langhaariger Mann mit weißem Bart. Im ersten Moment denken alle an einen der Sieben Mächtigen, doch es ist nur einer der Drei Mächtigen. Richtig geraten, Ernst Vlcek steht vor den ehrfürchtig erstarrten Lesern. Seine Begrüßung nehmen wir erleichtert und dankend zur Kenntnis. Er spricht doch mit dem niedrigen Volk. Die nächste Wartezeit von einer halben Stunde verbringen wir mit Diskussionen über das Wetter (es sind eher Schimpforgien), und mit dem Festlegen von Wanderrouten für den Nachmittag.

15:00 Uhr. Alle sind eingetroffen; Peter Fleissner, Birgit Fischer und - tut mir leid, aber ich weiß den Namen des vollbärtigen Kollegen nicht mehr. Er hat mir zwar auf dem Fanzentrale-Prospekt unterschrieben, aber wie das mit Unterschriften so ist, kann man sie leider nicht lesen. Insgesamt scharen sich somit sechzehn Personen um die beiden Autoren. Wir entschließen uns zu einem Spaziergang durch die Gärten von Schönbrunn und hinauf zur Gloriette. Diese Zeit wird genutzt, um endlich ein paar Antworten einzufordern. Klaus Bollhöfener windet sich geschickt um die Nennung der Auflagenzahl. Bei so viel Talent, mit vielen Worten nichts Konkretes auszusagen, sollte er in die Politik gehen. Aber er hat schon recht. Nicht umsonst sind die Auflagenzahlen so gut gehütet wie die wahre Entstehungsgeschichte von ES.

Da wir Klaus nicht weichklopfen können, nehmen wir nun die beiden Autoren ins Visier. Wir können ihnen einige Antworten entlocken. Die Betonung liegt auf 'ein paar'. Hier ist das Ergebnis: Nein, wir wissen nicht, wieviel man jetzt als Autor pro Roman verdient. Ja, wir wissen, daß Perry Rhodan überlebt. Nein, wir können nicht hoffen, daß Ras und Fellmer wieder von den Toten auferstehen. Ja, wir wissen, daß Gucky wieder zurückkehrt - lebend. Vor der Gloriette werden zwei Gruppenfotos geschossen, und es erfolgt erneut ein Fluch in Richtung der für das terranische Wetter zuständigen Mondsyntronik. Man beschließt, sich vor dem Stephansdom wieder zu treffen, um dort das renovierte Haupttor zu bestaunen. Nachdem wir dies ausreichend getan haben, folgt der Besuch des Gulaschmuseums. Der Hauptgrund ist der Hunger, ich gebe es ja zu. Ernst und Susan positionieren sich taktisch klug, und vermeiden so eine allgemeine Diskussion und Fragestunde über eine bestimmte Science Fiction-Serie. Um 18:30 folgt schließlich der allgemeine Aufbruch in Richtung Stammtischlokal.

 

III. ABEND: STAMMTISCH [Bericht Michael]

Vorneweg muß ich gestehen, daß dies meine erste Begegnung mit dem PR-Fandom sein sollte. Nur durch einen Telefonanruf von Klaus Bollhöfener, den ich mit einer Kurzgeschichte belästigt hatte, hatte ich von dem Treffen mit den beiden Perry Rhodan-Autoren erfahren. Gemischten Gefühls betrat ich also das Lokal "Ebbe und Flut" und setzte mich, meinem gschamigen Naturell entsprechend, in eine dunkle, unbeleuchtete Ecke und harrte der Dinge, die da kommen würden. Und sie kamen. Ein Mann in den Fünfzigern, das Gesicht faltendurchzogen wie das des Meisterregisseurs John Huston, hatte nichts besseres zu tun, als sich neben mich zu setzen. 'Und was mach ich jetzt? Jetzt sitzt der Vlcek neben mir, und ich weiß nicht, was ich sagen soll!', dachte ich. Meine Begrüßung muß sich ungefähr so angehört haben: „Grmbl mjktfxt!" Gott sei Dank ging dieser atemberaubende Kommentar im Stimmengewurrle unter, das kurzfristig aufbrandete, bis jederfrau und -mann eine Sitzgelegenheit gefunden hatte. Und dann ging die Fragerei ohnehin schon los, der Expokrat wurde von allen Seiten mit Anliegen bestürmt.

Uschi vulgo Susan saß leider am anderen Ende des Tisches, so daß ich von ihr kaum mehr als ein paar Wörter mitbekam. Schließlich saß ich neben dem Beherrscher, Besiedler und Vernichter ganzer Galaxien, und den durfte ich nun wirklich nicht aus den Augen lassen. Sogar das Pinkeln verbiß ich mir, solange es ging. Ernst erzählte also aus seinem ereignisreichen Leben als Autor (nicht nur der PR-Serie), und ich hing wie gebannt an seinen Lippen. Wer weiß schon, daß er seine berufliche Karriere als Verkäufer von Buchhaltungsmaschinen begann? Oder wie das Wiener Fandom der sechziger Jahre aussah? Für mich als Fandom-Neuling waren vor allem Details aus der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Autoren interessant. Diese Auskünfte - z.B. über die penible Arbeitsweise eines Kurt Mahr, oder warum Thomas Zieglers' Exposé-Phase nur so kurz dauerte - rundeten das Bild von den Menschen ein wenig ab, die hinter den Romanen standen oder noch stehen. Ernst Vlcek vermittelte seine Sicht der Dinge dazu so ausgezeichnet, daß sich der Abend allein deswegen für mich gelohnt hatte.

Natürlich gab er auch millimeterweise einige Geheimnisse aus der Zukunft der Serie bekannt. So erfuhren wir schon vorzeitig vom Vorbild der Galaxis Daglausch (ein Glück, daß Perry Rhodan keine österreichische Serie ist; sonst würde die Galaxis wahrscheinlich Desklauserl heißen. Bré Tsinga wäre mit ziemlicher Sicherheit zu Bre Tzerl mutiert, soviel nur nebenbei). Auch, was für eine Beilage im Jubi-Band 1900 versteckt sein würde, erzählte er uns, und gab uns damit kleine Happen zum Essen, die eigentlich nur Appetit auf mehr machten.

Im nachhinein muß ich allerdings feststellen, daß er, wenn Ernst ein Pinocchio wäre, bereits eine ziemlich lange Nase hätte. Natürlich kann ich nicht behaupten, daß er gelogen hätte. Der Wiener Jargon umschreibt das, was er tat, mit dem schmeichelhaften Begriff 'Schmäh erzählen'. Eine besondere, persönliche Note bekam der Abend durch das Auftauchen von Ernst Vlcek's Frau, die sich nach eigenen Auskünften das erste Mal unter die Fans gewagt hatte. So konnte ich, meine taktisch ausgezeichnete Sitzposition nutzend, einiges über das Privatleben unseres österreichischen Expokraten in Erfahrung bringen. Wie er arbeitet (völlig abgeschieden, in einem Wochenendhäuslein in Oberösterreich), wann er arbeitet, wie lange er für einen Roman benötigt (zehn Tage bis zwei Wochen, wobei er die ersten paar Tage zur geistigen Sammlung verwendet und sich die Gedanken nur zurechtlegt) - alles Fragen, die das Ehepaar Vlcek mit einer Eselsgeduld beantwortete.

Als sich die Runde gegen halb zwölf auflöste, und der Großteil der Gruppe Richtung Jazzland zog, hatte ich das Gefühl, daß Ernstens Gesicht noch um ein paar Fältchen reicher war - kein Wunder, nach dem Verhör. Und ich, ich konnte endlich pinkeln gehen.

 

IV. NACHT: JAZZLAND [Bericht Wolfgang]

"In den Katakomben von Terrania (oder besser Viennia)" - Das Jazzland! Ein Gewölbe am Rande des alten Stadtzentrums, wahrscheinlich 400 Jahre alt. Zwei Stockwerke geht es hinunter in den Keller, über uns auf einer Geländestufe die Ruprechtskirche - die älteste Kirche Wiens (12. Jhdt.), auch ein Stück der alten Stadtmauer ist hier noch erhalten geblieben. Das Jazzland - eine Wiener Institution seit bald zwei Jahrzehnten. Jazzgrößen aus allen Ländern der Erde, viele davon Stars mit Weltruf, haben hier schon gespielt. Das Jazzland - ein international anerkanntes Musiklokal, dank der rührigen Führung und des persönlichen Einsatzes eines einzigen Mannes - des Wieners Axel Melhart. Und dieser Axel Melhart ist zufällig auch großer SF-Fan, einer der Gründer des Fantasyspiels „Magira" und kennt PR-Chefautor Ernst Vlcek seit den Anfängen der Deutschen SF in den 50er und 60er Jahren.

Als Axel vom Besuch unserer deutschen Freunde und vom Osterspaziergang erfuhr, sprach er eine spontane Einladung zum Ausklang des Tages in seinem Lokal aus. Und so kam es, daß ein knappes Dutzend PR-Fans nach dem Abend im „Ebbe und Flut" noch eine „Nachtschicht" im Jazzland anhängten. Als wir ca. um halb zwölf in der Nacht eintrafen, merkten wir sofort, daß wir einen guten Tag für Jazz-Einsteiger erwischt hatten. Es spielte Red Holloway, eine Saxophonlegende aus den 50er Jahren, die schon bei Woodstock und mit Größen wie etwa Blues-Altmeister John Mayall gespielt hatte. Der alte Herr, immerhin 70 Jahre jung, sorgte mit leichtverdaulichem Jazz und Swing für großartige Stimmung und schaffte es auch Skeptiker/Innen wie Uschi/Susan Schwartz zu begeistern.

Was folgte, war Axels sprichwörtliche Gastfreundschaft und wir wurden reichlichst und durchaus kalorienreich bewirtet. Letzteres verwundert nicht allzusehr, schließlich leidet auch der Chef des Hauses nicht gerade an „Unterernährung". Der weitere Abend war vor allem von der Wiedersehensfreude zwischen Ernst und Axel geprägt, die sich jede Menge aus alten Zeiten zu erzählen hatten. Wir „Jungfans" konnten da zum Großteil nur andächtig zuhören. Auch auf PR-Gründer und SF-Legende Walter Ernsting kam die Sprache und es entstand eine Idee, der sich Ernst und Axel sofort begeistert anschlossen: sofern es der Gesundheitszustand Clark Darltons zuläßt, werden wir versuchen ein Treffen mit ihm in seiner jetzigen Heimat Salzburg zu arrangieren. Auch eine neue Charakterisierung der Perry Rhodan-Serie fanden wir in dieser Nacht (Hartgesottene Fans mögen uns verzeihen, es ist für beide Serien als Ehre gemeint!): „Perry Rhodan - der Karl May des 20. Jahrhunderts"!

Ich selbst hatte die Möglichkeit, eine sehr nette Unterhaltung mit Ernst Vlcek's Frau zu führen, die dem ganzen Fan-Treiben bisher eher skeptisch gegenübergestanden ist. So faßte ich ihre Aussage, die Mitglieder des Stammtischs seien eigentlich ganz natürliche und vernünftige Leute, auch als großes Kompliment auf. Wie im Flug verging die Zeit, und auch die flüssige Bewirtung tat ihre Wirkung. Als Ernst uns schließlich mit schwerer werdender Zunge zum wiederholten Male erklärte, er sei „sicher der normalste aller PR-Autoren", wurde ihm von seiner charmanten Gattin sanft aber unmißverständlich klargemacht, daß es Zeit für den Heimweg sei. Wir blickten auf die Uhr und staunten - es war zwei Uhr morgens.

Abschließend hatte ich dann noch das Vergnügen (ist nicht zynisch gemeint, es war wirklich eines!), Uschi und einen Teil unserer deutschen Freunde zum Hotel zu bringen. Dort schafften wir es noch, den Hotelportier durch zusätzliche Zimmerwünsche garniert mit unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten restlos zu verwirren. Wir hatten jedenfalls unseren Spaß dabei. Um drei Uhr kam ich schließlich heim und fiel „leicht ermattet", aber zufrieden in mein Bett. Gott sei Dank mußte ich keinen Zug um 8.30 Uhr erreichen!!!

P.S.: Nach diesem gelungenen Treffen bleibt eigentlich nur noch eines zu tun: eine Einladung für nächstes Jahr auszusprechen!

 

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